Die meisten Fluggesellschaften zeigen keine ernsthaften Ambitionen, auf E-Kerosin umzustellen. Auch Ölkonzerne investieren zu wenig in nachhaltige Flugkraftstoffe. Das bremst nicht nur den Umstieg auf klimaneutrales Fliegen, sondern ist eine vertane Chance für die deutsche Wirtschaft.
Ein neues Ranking von T&E zeigt, dass 87 Prozent der Fluggesellschaften die Umstellung auf nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF) verschleppen. [1] Von den 77 untersuchten Fluggesellschaften kaufen 67, darunter die Lufthansa Group, entweder zu wenig SAF, die falsche Art von SAF oder ziehen SAF in ihren Dekarbonisierungsplänen überhaupt nicht in Betracht. T&E warnt, dass das ernsthafte Fragen über die Fähigkeit der Fluggesellschaften aufwirft, ihre Auswirkungen auf das Klima zu bekämpfen. Lediglich zehn Fluggesellschaften zeigten nennenswerte Anstrengungen - unter ihnen DHL. Spitzenreiter sind Air France-KLM, United Airlines und Norwegian, die für ihren Einsatz von E-Kerosin oder fortschrittlichen Biokraftstoffen und Biotreibstoffen aus Abfällen hohe Punktzahlen erhielten.
In der Rangliste erhielten die Fluggesellschaften Punkte für SAF- und E-Kerosin-Ziele und für die Verpflichtung zu E-Kerosin über Abnahmevereinbarungen, Absichtserklärungen und Memoranden of Understanding. [2] Dabei wurde berücksichtigt, dass nicht alle SAFs gleichermaßen nachhaltig sind. E-Kerosin - ein aus erneuerbarem Strom hergestellter Kraftstoff - ist die nachhaltigste und am besten skalierbare Art von SAF. Überhaupt nicht nachhaltig sind SAF, die aus Nahrungs- oder Futtermittelpflanzen (z. B. Mais) hergestellt werden.
Derzeit verwenden die meisten der in der Rangliste aufgeführten Fluggesellschaften die falsche Art von SAF. E-Kerosin macht weniger als 10 Prozent der SAF-Vereinbarungen der Fluggesellschaften aus, während mehr als 30 Prozent auf nicht nachhaltige pflanzliche Biokraftstoffe entfallen. Die Lufthansa Group hat sich bisher vor allem auf den Einkauf nicht nachhaltiger Biokraftstoffe konzentriert. Die E-Kerosin-Investition der Lufthansa in Synhelion und die Abnahmevereinbarung mit Atmosfair stehen in keinem Verhältnis zum enormen Kerosinverbrauch der Lufthansa Group. [3] Allein 2023 hat das Unternehmen rund 7.9 Milliarden Euro nur für Treibstoff ausgegeben. T&E fordert, dass Fluggesellschaften mehr Druck auf Kraftstoffhersteller ausüben sollten, den Schwerpunkt auf die richtige Art von SAF zu setzen.
Marte van der Graaf, Referentin für Luftfahrt bei T&E Deutschland, erklärt: „Zu wenige Fluggesellschaften engagieren sich für wirklich nachhaltige Kraftstoffe. Die Airlines müssen sich endlich ihrer Verantwortung bewusst werden und saubere SAF kaufen. Sie müssen dem Markt signalisieren, dass diese Kraftstoffe die Zukunft der Luftfahrt sind. Ansonsten können sie sich von ihren Netto-Null-Zielen verabschieden.“
Bisher wurden zu geringe Mengen an SAF gekauft, um die Ziele zur Emissionsreduzierung im Sektor zu erreichen. 2023 wurden von den untersuchten Fluggesellschaften nur 0,15 Prozent des gesamten Treibstoffverbrauchs mit SAF gedeckt. Laut Analyse haben die Airlines derzeit lediglich so viel SAF gekauft, um 1,2 Prozent ihres Treibstoffbedarfs bis 2030 zu decken. Allerdings stehen die Airlines nicht allein in der Verantwortung, denn traditionelle Ölkonzerne investieren zu wenig in nachhaltige Kraftstoffe. Laut T&Es Analyse könnten Eni, TotalEnergies, Shell, BP, Chevron, ExxonMobil, Sinopec und Saudi Aramco bis 2030 nur rund 3.000 kt SAF pro Jahr produzieren. Das sind weniger als 3 Prozent ihrer derzeitigen Kerosinproduktion.
Besonders erschreckend ist, dass praktisch keine ihrer SAF-Investitionen auf E-Kerosin entfallen. Shell hat sich kürzlich aus einem E-Kerosin-Projekt zurückgezogen, was die mangelnde Bereitschaft der Branche widerspiegelt, auf saubere Kraftstoffe umzusteigen und Investitionen in fossile Brennstoffe zu bevorzugen. Die geringen SAF-Mengen, die die großen Ölfirmen herstellen, sind biobasierte Kraftstoffe, die nicht nachhaltig oder nicht skalierbar sind. Auf diese Kraftstoffe konzentriert sich u.a. Lufthansa. Der E-Kerosin-Markt wird derzeit von kleineren Raffinerien und Start-ups geführt, die nicht über die Finanzkraft verfügen, um langfristig genug für den Massenmarkt zu produzieren.
In Deutschland mangelt es vor allem an wirtschaftlicher Unterstützung, den richtigen Arten von Kraftstoffen Vorrang zu geben. Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung die Mittel für erneuerbare Kraftstoffe im Luftverkehr massiv gekürzt. Deutschland verpasst damit die Chance, in der E-Kerosin-Forschung und -innovation weltweit führend zu sein. Damit ist der Wirtschaftsstandort nicht in der Lage, den eigenen Grundbedarf an E-Kerosin zu produzieren, was sich auch in den mangelnden Ambitionen der deutschen Fluggesellschaften niederschlägt. Die nötigen Investitionsmittel könnten durch eine Reformation der Luftverkehrsteuer bereitgestellt werden. Wichtig ist auch, dass die E-Kerosin-Quote in Deutschland beibehalten wird.
"Trotz großer Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland in der Anlagenentwicklung für mit erneuerbarer Energie produziertem E-Kerosin, verharren Luftfahrtunternehmen und Mineralölwirtschaft in Warteposition. Verantwortlich dafür ist größtenteils die Politik, die in den letzten Jahren versäumt hat, einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen für Investitionen zu schaffen und sogar Fördermittel gestrichen hat. Solange keine ausreichenden Mengen an klimaneutralen Treibstoffen verfügbar und bezahlbar sind, ist eine Reduktion und Verlagerung des Flugaufkommens unvermeidlich. Die neue Bundesregierung muss zügig eine realistische Roadmap für den Hochlauf von E-Kerosin entwickeln.“, fordert auch Anja Köhne, Referentin für Flugverkehr bei Germanwatch.
Um den Durchbruch von SAF in Europa zu gewährleisten, empfiehlt T&E, dass die EU E-Kraftstoffe als vorrangige Investition in ihren kommenden Clean Industrial Deal aufnimmt. Gezielte Maßnahmen und Anreize sind erforderlich, um die Industrie zu unterstützen, insbesondere die Vorreiter im E-Kerosin-Bereich. Parallel dazu sollten sich die Mineralölunternehmen auf dem E-Kerosin-Markt engagieren, indem sie selbst Projekte entwickeln oder in E-Kraftstoff-Anlagen für die Luftfahrt investieren, um deren Verbreitung zu fördern, anstatt die Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen aufrechtzuerhalten.
Anmerkungen für die Redaktion:
[1] Für das Ranking wurde eine Mischung aus einigen der weltweit größten Fluggesellschaften (gemessen an den Passagierzahlen und dem Treibstoffverbrauch) und kleineren Fluggesellschaften, die SAF-Abnahmevereinbarungen haben, ausgewählt. Diese 77 Fluggesellschaften sind für rund 75 % des weltweiten Treibstoffverbrauchs der Fluggesellschaften verantwortlich.
[2] Das T&E-Ranking bewertet die Fluggesellschaften nach ihrer Verwendung von SAF und ihrem Engagement für nachhaltige Antriebe. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Nachhaltigkeit der Kraftstoffe. E-Kerosin - ein aus erneuerbarem Strom hergestellter Treibstoff - ist die einzige Art von SAF, die nachhaltig aufgestockt werden kann, um den wachsenden Energiebedarf des Luftfahrtsektors zu decken.
[3] Zwar hat Lufthansa mit der Unterzeichnung mehrerer Absichtserklärungen und einer kleinen Abnahmevereinbarung mit Atmosfair einige Schritte im SAF-Bereich unternommen, doch sollte sie durch die Unterzeichnung größerer verbindlicher Abnahmevereinbarungen für SAF einen Schritt weiter gehen.
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