Die Bundesregierung und elf weitere EU-Länder verpassen ihre nationalen Klimaziele, wenn sie nicht dringend handeln. Bei aktuellem Kurs müsste Deutschland trotz Haushaltskrise bis zu 16,2 Milliarden Euro für Emissionszertifikate bezahlen.
Der fehlende Klimaschutz im Verkehrssektor könnte den deutschen Steuerzahler:innen teuer zu stehen kommen, so eine neue Studie von Transport & Environment (T&E). Die Bundesregierung hat mit der Novelle des KSG zwar die Sektorziele abgeschafft. In der EU haben sie jedoch weiterhin Bestand und etwaige Verfehlungen sind an Zahlungen gebunden. T&E hat daher die Entwürfe für die nationalen Klimapläne (NECPs) analysiert, mit dem Ergebnis: Ohne Sofortmaßnahmen werden zwölf EU-Länder ihre nationalen Klimaziele im Rahmen der Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation, kurz: ESR) verfehlen. Deutschland und Italien schneiden am schlechtesten ab. Allein die Bundesregierung müsste bis zu 16,2 Milliarden für Emissionszertifikate aufwenden, wenn sie auf aktuellem Kurs bleibt.
Der Studie zufolge werden Deutschland und Italien ihre nationalen Klimaziele mit einem erheblichen Abstand verfehlen. Beide Länder zusammen würden bereits alle überschüssigen ESR-Emissionszuteilungen aufbrauchen. Allein Deutschland würde 70 Prozent der EU-weit verfügbaren Zuteilungen benötigen. Müsste Deutschland den Ländern, die ihre jährlichen Emissionsvorgaben unterschreiten, Zertifikate zu einem Preis von 129 Euro abkaufen [2], dann würde das den Bund bis zu 16,2 Milliarden Euro kosten. Das träfe die Bundesregierung hart, denn aktuell muss sie ein 40-Milliarden-Euro-Loch im Haushalt für 2025 stopfen. Verantwortlich für die Nichteinhaltung der EU-Klimaschutzverpflichtungen ist in Deutschland vor allem der Verkehrssektor.
Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland sagt: “Die von der FDP geforderte Novelle des KSG war letztendlich nicht mehr als ein Taschenspielertrick. Für das, was Volker Wissing mit der populistischen Androhung von Fahrverboten durchgesetzt hat, könnten am Ende die deutschen Steuerzahler die Zeche zahlen müssen. Um das zu verhindern, muss der Verkehrsminister jetzt ein ambitioniertes Sofortprogramm vorlegen, um den Straßenverkehr schnellstmöglich zu elektrifizieren und die Bahn und den öffentlichen Nahverkehr zu einer echten Alternative auszubauen."
Der Preis der Emissionsgutschriften wird bilateral zwischen den Ländern festgelegt. T&E warnt jedoch, dass es ohne sofortige Maßnahmen zu einer Verknappung der Gutschriften kommen wird, da mehrere Länder ihre Ziele verfehlen werden. Im Rahmen der folgenden Versteigerung könnte das die Preise der Zuteilungen noch weiter in die Höhe treiben.
Sebastian Bock sagt: "Die schiere Höhe der Zahlungen, die Deutschland im Jahr 2030 möglicherweise leisten müsste, ist atemberaubend. Volker Wissing steht vor einer klaren Wahl: Entweder er zahlt für den verschleppten Klimaschutz Milliarden an unsere Europäischen Nachbarländer oder er fängt endlich an beim Klimaschutz im Verkehr ernst zu machen.“
Die Länder, die den größten Überschuss anhäufen werden, sind Spanien, Griechenland und Polen, wie die Analyse ebenfalls zeigt. Spanien wird sein Ziel für 2030 wahrscheinlich um 7 Prozentpunkte übererfüllen. Die spanische Regierung könnte 10 Milliarden Euro von Ländern erhalten, die nicht auf Kurs sind. Fünf Länder, darunter Frankreich und die Niederlande, haben Pläne vorgelegt, die gerade noch ausreichen, um ihr Ziel zu erreichen - aber jede Abschwächung der Politik bedeutet, dass diese Länder in den roten Bereich fallen und für Emissionszertifikate zahlen müssen, warnt T&E.
Anmerkungen für die Redaktion:
[1] Gemäß der Lastenteilungs-Verordnung müssen die Mitgliedstaaten Klimaziele in fünf Schlüsselsektoren erfüllen: Straßenverkehr, Gebäude, Kleinindustrie, Abfall und Landwirtschaft. Die Ziele wurden entsprechend dem BIP eines Landes festgelegt, wobei reichere Länder höhere Emissionsreduktionsziele erfüllen müssen. Das Gesamtziel für die EU liegt bei -40 % bis 2030 (im Vergleich zum Stand von 2005) über alle fünf Sektoren hinweg. Alle Mitgliedsstaaten müssen bis zum 30. Juni nationale Energie- und Klimapläne (NECP) vorlegen, in denen sie darlegen, wie sie das Ziel erreichen wollen.
T&E hat die NECP Entwürfe analysiert; zusammen mit weiteren Projektionsdaten, die u.a. in Deutschland vorliegen. So wurden die potenziellen Emissionsreduzierungen aller 27 EU-Länder berechnet. Fasst man die von den Ländern vorgelegten nationalen Pläne zusammen, werden die Emissionen in den ESR-Sektoren bis 2030 voraussichtlich lediglich um 35,5 Prozent sinken (im Vergleich zu 2005). Das sind 4,5 Prozentpunkte weniger als das EU-Ziel mit -40 Prozent vorgibt.
Laut dem Projektionsbericht 2024, der noch nicht im NECP berücksichtigt wurde, steuert Deutschland bei den ESR Emissionen auf eine Erfüllungslücke von 126 Mio. t. CO2 zu. Neben Deutschland haben auch Schweden und Irland neuere Projektionen vorgelegt. Soweit verfügbar, wurden sonst für die Analyse die Emissionsprojektionen der ESR-Sektoren für 2030 verwendet, die in der Analyse der Kommission zu den eingereichten Entwürfen der NECPs zusammengestellt wurden. Soweit nicht verfügbar, wurden persönliche Gespräche mit regierungsnahen Quellen oder MM- (mit zusätzlichen Maßnahmen) und MWM-Projektionen (mit bestehenden Maßnahmen) vom März 2023 verwendet.
[2] Der Zertifikatspreis von 129 Euro entspricht dem von Bloomberg für die ETS-Sektoren im Jahr 2030 prognostizierten Kohlenstoffpreis und kommt auch den Annahmen im deutschen Projektionsbericht recht nahe.
T&E Reaktion auf den Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen und den Projektionsbericht 2023.
Only a balanced mix of policies which reduce fossil fuel car use can fairly decarbonise Germany's transport sector
Laut einer neuen YouGov-Umfrage in 12 EU-Mitgliedsstaaten unterstützt die deutsche Öffentlichkeit ambitioniertere nationale Klimaziele. In der im Auft...