Deutsche Autobosse und Spitzenpolitiker sind sich dieser Tage in wenigem so einig wie darin, dass die Lösung für die Krise der Branche aus Brüssel kommen muss. Das ist richtig.
Falsch sind die Vorschläge, was die EU nun tun sollte.
Angeführt vom CSU-Chef des EU-Parlaments, Manfred Weber, mehren sich die Stimmen derjenigen, die die Pkw-Emissionsziele am liebsten rückabwickeln würden. Auch Kanzler Scholz fordert, dass die Hersteller keine Strafen zahlen sollten, wenn sie ihre Emissionsziele verfehlen. Diese Forderung kann das Kernstück der EU-Klimaschutzbemühungen ins Wanken bringen: die aus Berlin vorgeschlagenen Veränderungen ließen sich nur umsetzen, indem die Flottenregulierung neu verhandelt wird. Es ist zu befürchten, dass dabei die Emissionsziele selbst unter die Räder kämen.
Was den europäischen Klimaschutz um Jahre zurückwerfen würde, hätte noch dramatischere Folgen für die hiesige Automobilindustrie. Anfang der 2030er Jahre wird der chinesische Automarkt so groß sein, wie der von EU und USA zusammen. Schon heute fahren über 50 Prozent der neu verkauften Fahrzeuge in China elektrisch. Deutsche Hersteller verlieren dort mit ihren Verbrennern täglich Marktanteile und haben im Elektrosegment große Probleme.
Ambitionierte Emissionsziele, die Herstellern Planungssicherheit geben und wichtige Innovationen vorantreiben, um international wieder konkurrenzfähig zu werden, sind also nicht das Problem, sondern die Lösung der aktuellen Misere.
Europas größte Herausforderung liegt an anderer Stelle. Uns fehlt eine Batterieindustrie, die nachhaltig und wettbewerbsfähig ist. Der Insolvenzantrag des einstigen Sterns am europäischen Batteriehimmel, Northvolt, zeigt das einmal mehr.
Northvolt ist ein Weckruf. Bundesregierung und Kommission müssen sich jetzt entscheiden. Meinen sie es ernst, dass die EU strategische Autonomie bei Batterien braucht, um einen der Kernbestandteile der Wertschöpfung in der Automobilindustrie in Europa zu halten? Oder ist es nur ein Lippenbekenntnis zur Industriepolitik, während stillschweigend akzeptiert wird, dass China nach dem Solar-Rennen nun auch das Batterie-Rennen gewinnen wird?
In seinem Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit drängt der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, Draghi, darauf, dass die EU sich nicht in neue Abhängigkeiten bei der Produktion sauberer Technologien begibt. Gleichzeitig darf es nicht das Ziel Europas sein, nicht-europäische Hersteller „draußen“ zu halten. Das Ziel sollte eine wettbewerbsfähige und robuste Batterielieferkette in Europa sein. Northvolt kann gestärkt aus der Insolvenzverwaltung hervorgehen. Andere start-ups werden sich gründen. Aber koreanische, amerikanische und, ja, chinesische Unternehmen werden ebenso eine Rolle spielen.
Was gilt es also zu tun?
Erstens müssen EU und Bundesregierung unmissverständlich klarstellen, dass sie von ihrem Ziel ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge zuzulassen, nicht abrücken werden. Hieran führt kein Weg vorbei, wenn Unternehmen Milliarden in europäische Fabriken und Lieferketten investieren sollen.
Zweitens sollte die EU den Verkauf von Batterien beschränken, die mit fossiler Energie hergestellt werden. Batterien, die mit sauberem EU-Strom hergestellt werden, sind mindestens 37 Prozent sauberer als in China hergestellte Batterien. Ein gut durchdachter Standard für den CO2-Fußabdruck, ähnlich dem französischen Ökobonus, würde eine umweltfreundlichere, lokale Produktion fördern.
Drittens werden die Hersteller durch die Einführung der E-Auto-Zölle mehr Fahrzeuge in Europa produzieren, aber weiterhin Batterien importieren. Die Kommission muss sich die Batterie-Lieferkette genau ansehen und bei Marktverzerrungen eingreifen, um ausländische Unternehmen dazu zu bringen, innerhalb der EU unter Einhaltung der hiesigen Umwelt- und Sozialstandards zu produzieren.
Viertens muss die EU ihre Batterieförderung auf neue Füße stellen. Statt weiter einem nationalen Subventionswettlauf Vorschub zu geben, braucht die EU unbürokratische Förderung, vergleichbar mit dem US-IRA, um die lokale Entwicklung und den Hochlauf von Batterietechnologie zu unterstützen. Die EU sollte ihre Pläne umsetzen, ausländische Unternehmen zu ermutigen, in Europa zu investieren, aber sicherzustellen, dass damit ein Transfer von Expertise und Technologie einhergeht.
1803 wurde die erste Vorform einer wiederaufladbaren Batterie in Deutschland erfunden. Über Jahrzehnte waren deutsche Unternehmen führend in der Technologie. Die hiesige Chemieindustrie als Zulieferer für die Zellproduktion ist es heute noch. Auf diesem Fundament gilt es zu bauen. Wer jedoch stattdessen den Rufen nach einem Schleifen der Emissionsziele folgt, um den Herstellern noch ein paar fette Jahre mit dem Verkauf der Verbrennertechnologie der Vergangenheit zu schenken, nimmt Deutschland damit aus dem Rennen um einen der vorderen Plätze in den Industrien der Zukunft.
Aber die EU und das Vereinigte Königreich laufen Gefahr, den Anschluss zu verpassen, da die Hälfte der lokalen Recyclingprojekte auf der Kippe steht.
CO2-Ziele für 2025 sind entscheidend für den Hochlauf erschwinglicher E-Autos von europäischen Herstellern