Wer dieser Tage Einfuhrzölle auf chinesische E-Autos und Batterien fordert, macht sich in Deutschland weder in der Politik noch in der Automobilindustrie Freunde.
Erstens: Wir brauchen fairen Wettbewerb. Den EU Zöllen von 10 Prozent auf chinesische E-Autos, stehen chinesische Zölle von 15 Prozent für europäische Autos entgegen. Noch drastischer ist das Ungleichgewicht bei Batterien. Während in der EU lediglich 1,3 Prozent fällig werden, erhebt China mit 10 Prozent fast achtmal so hohe Zölle auf Batterien aus EU Produktion. Weil China zusätzlich seit Jahren die heimische E-Auto-Industrie strategisch subventioniert, muss Europa nun höhere Zölle auferlegen, um gleiche Startvoraussetzungen zu schaffen.
Zweitens: Es geht hierbei - anders als in den USA - nicht darum, chinesische Hersteller kategorisch vom europäischen Markt auszuschließen. Im Gegenteil. Die Zölle müssen so gestaffelt werden, dass sie starke Anreize für Investitionen in den europäischen Markt setzen. Dies gilt besonders für die Batterieproduktion. Um ihre Herstellung in Europa anzukurbeln und gleichzeitig einem Handelskonflikt vorzubeugen, sollten Zölle gestaffelt werden. So könnten niedrigere Zolltarife bis zu einem bestimmten Einfuhrvolumen (z.B. 10-15 Prozent des Marktes) gelten, während danach der höhere Zoll in Kraft tritt. Um einen Anreiz für die lokale Batteriezellenherstellung zu schaffen, müsste Europa die Zölle bis 2027 auf mindestens 20 bis 25 Prozent anheben, um die durchschnittliche Kostenlücke zu China zu schließen.
Drittens: Wenngleich bei E-Autos noch gilt, dass made-in-Germany für höchste Qualität steht, so ist dies bei Batterien nicht der Fall. Auch wenn die erfolgsverwöhnte deutsche Autoindustrie es nicht gern hört: was wir heute brauchen, ist eine Umkehr des chinesischen Modells aus den 1980er Jahren. Damals erlaubte die chinesische Regierung den Markteintritt von Volkswagen und Co. nur unter der Bedingung von joint ventures mit heimischen Herstellern. Nur wer sein Wissen teilte, durfte auf Verkäufe in China hoffen. Insbesondere in der Batteriezellenfertigung müssen Europas Hersteller heute von ihren chinesischen Konkurrenten lernen. Diese sind nicht nur innovativer, vor allem wissen sie, wie man neue Batterietechnologien schnell in Masse fertigen kann. Neben Zöllen braucht es also auch Maßnahmen für Technologietransfer und Investitionen in Fertigung und Ausbildung, um sicherzustellen, dass Wertschöpfung und gut bezahlte Jobs in Europa bleiben.
Viertens: Über all dem steht in der deutschen Wahrnehmung das Schreckgespenst eines Handelskriegs und die Angst um die Profite der Autobauer. Doch auch wenn die Konzerne weiterhin einen beträchtlichen Teil ihrer Gewinne in China erwirtschaften, so stimmt die lange gültige Aussage, dass Verkäufe in China die Gehälter der Ingenieure und Ingenieurinnen in Wolfsburg bezahlen, von Jahr zu Jahr weniger. VW investiert eine Milliarde in ein Forschungszentrum in Hefei (China). BMW nutzt die günstigeren Produktionsbedingungen in China, um dort den iX3 zu fertigen und nach Europa zu exportieren. Der große Zulieferer ZF will in Deutschland 12.000 Stellen streichen, während er in China eine aggressive Wachstumsstrategie verfolgt. In anderen Worten: wir dürfen die Interessen der Konzerne nicht mit den Interessen Deutschlands und Europas gleichsetzen. Für Klimaschutz und Beschäftigung ist eine starke europäische E-Auto-Industrie, die vor Ort produziert, unabdingbar.
Gleichzeitig lassen chinesische Ankündigungen von Vergeltungszöllen diese Gefahr realer erscheinen, als sie ist. Wir sollten nicht vergessen, dass China genauso abhängig vom europäischen Markt ist, wie deutsche Hersteller vom chinesischen. Trotzdem gibt es einen wichtigen Unterschied: Bidens Entscheidung, die Einfuhrzölle auf E-Autos aus China in den USA auf 100 Prozent zu vervielfachen, stärkt Europas Hand. Chinesische Hersteller haben gigantische Überkapazitäten aufgebaut, welche sie jetzt in großen Mengen nur noch nach Europa verkaufen können. Sie sind also auf den Marktzugang angewiesen. Gleichzeitig betreiben alle deutschen Hersteller seit Jahrzehnten große Werke in China. Volkswagen produziert beispielsweise 99 Prozent seines Absatzes für China in China. Auch Audi (91 Prozent), BMW (87 Prozent) und Mercedes (80 Prozent) stellen fast alle in China verkauften Fahrzeuge vor Ort her. Diese Werke und die an ihnen hängenden Profite sind also von möglichen Vergeltungszöllen nicht betroffen. Anders sieht es jedoch für chinesische Hersteller aus, die gerade erst beginnen, in Europa Fuß zu fassen und noch keine einzige fertige Fabrik in der EU betreiben.
Die Politik in Deutschland und der EU muss daher jetzt strategisch weitsichtig agieren. Kurzfristig sind Einfuhrzölle ein notwendiges Übel, um sicherzustellen, dass hiesige Hersteller technologisch aufholen können und der Automobilstandort Europa langfristig Bestand hat. In den Jahren in denen einige deutsche Hersteller die Schummelsoftware in ihren Dieselmotoren optimiert haben, hat China neue Batterietechnologie und fortschrittliche E-Autos entwickelt. Das Resultat: für die Zukunft der Automobilbranche werden in diesen Jahren die Karten neu gemischt. Die deutsche Autoindustrie ist dabei so verletzlich wie selten in ihrer langen Geschichte. Was passiert, wenn die Politik grüne Schlüsselindustrien nicht schützt, musste in der Vergangenheit Deutschlands Solarindustrie schon schmerzlich erfahren. Es gilt nun - leider auch mit Zöllen - zu verhindern, dass der Automobilindustrie ein ähnliches Schicksal widerfährt.
Dieser Meinungsbeitrag erschien zuerst bei Table.China.
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