Briefing

13,7 Milliarden: Zurück in die Vergangenheit, oder Zukunft?

Oktober 21, 2024

Das industrielle Potential von Steuervorteilen für Dienstwagen

Die ERM-Studie im Auftrag von T&E

Eine neue Studie von Environmental Resources Management (ERM) beziffert die Steuervorteile, die Dienstwagen mit Verbrennungsmotor – Benzin-, Diesel- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge – in sechs europäischen Ländern erhalten. Es ist die erste Studie, die diese Steuervorteile simultan analysiert und Subventionen pro registriertem Fahrzeugmodell in den jeweiligen Ländern berechnet, anstatt sich wie bisherige Studien auf Durchschnittsmodelle zu stützen. Betrachtet werden Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien und das Vereinigte Königreich.

Ergebnisse

1. Gesamthöhe der klimaschädlichen Subventionen in Deutschland liegt bei 13,7 Milliarden Euro

Deutschland gibt unter den untersuchten Ländern nach Italien am meisten Steuergelder für Subventionen fossil betriebener Dienstwagen aus – insgesamt 13,7 Milliarden Euro im Jahr 2023. Das umfasst Steuervorteile für Arbeitgeber und -nehmende. Der größte Steuervorteil ist die pauschale Berechnung des geldwerten Vorteils von Dienstwagen, die sogenannte 1%-Regelung. Sie kostet den Fiskus fast 7 Milliarden Euro pro Jahr.

2. Die größten Autos erhalten die höchsten Steuervorteile

Je größer das Auto, desto höher sind die Steuervorteile in Deutschland. Auf einen geleasten Opel Corsa kommen in Deutschland Steuervorteile in Höhe von 4.015 Euro pro Jahr, auf einen geleasten Audi A6 mit 8.040 Euro fast doppelt so viel. Plug-in-Hybride profitieren aufgrund ihrer niedrigen Besteuerung ganz besonders, etwa entfallen auf den Mercedes GLC Steuervorteile von 10.135 Euro pro Jahr.

Insbesondere SUVs sind stark subventioniert. Dabei stoßen sie deutlich mehr CO₂-Emissionen aus und belasten aufgrund ihrer Größe unsere Infrastruktur überdurchschnittlich. Die jährlichen Steuervorteile für einen SUV mit Verbrennungsmotor als Dienstwagen liegen in Deutschland zwischen 6.477 Euro und 8.544 Euro. Den deutschen Staat kosten Subventionen für fossile SUV-Dienstwagen pro Jahr 4 Milliarden Euro.

3. Unterschied zwischen elektrischen und fossil betriebenen Dienstwagen schafft keine Anreize

Um Hersteller beim Hochlauf der E-Mobilität zu unterstützen, müssen Subventionen so ausgestaltet sein, dass sie Anreize für elektrische Dienstwagen setzen. Unter den untersuchten Ländern hat nur das Vereinigte Königreich ein Steuersystem, das den Betrieb von E-Autos steuerlich wesentlich besser stellt als den von Verbrennern. In Deutschland ist der Unterschied zu klein, um einen wirklichen Anreiz darzustellen. Der Arbeitgeber erhält bei einem geleasten E-Auto wie dem ID.4 nur Steuervorteile in Höhe von 12 Euro pro Jahr mehr als für einen vergleichbaren Verbrenner, wie den VW Tiguan.

Nachzügler der Transformation

Firmenwagen sind klima- und industriepolitisch von großer Bedeutung. In Deutschland entfallen zwei Drittel aller Neuzulassungen auf gewerblich genutzte Fahrzeuge. Knapp die Hälfte dieser Firmenwagen sind Dienstwagen, die geschäftlich und privat gefahren werden dürfen. Dienstwagen spielen also eine entscheidende Rolle bei der Elektrifizierung des Fahrzeugbestands auf unseren Straßen.

Allerdings hinken gewerbliche den privaten Neuzulassungen hinterher: Im ersten Halbjahr 2024 waren lediglich 11,7 Prozent der gewerblichen Neuzulassungen elektrisch. Ohne eine erfolgreiche Elektrifizierung der Firmenwagen droht der deutschen Automobilindustrie und damit dem gesamten Standort Deutschland ein erheblicher Wettbewerbsnachteil.

Die Elektrifizierung von Firmenwagen kann bei den Herstellern die nötige Nachfrage generieren. Dafür müssen die steuerlichen Vorteile so gestaltet sein, dass sie einen echten Anreiz für E-Mobilität schaffen und die Hersteller bei der Transformation unterstützen. Das ist wichtig, weil E-Autos noch immer mehr kosten und auf Hersteller- und Verbraucher:innenseite Bedarf an Unterstützung für den Umstieg auf E-Mobilität besteht. Angesichts der aktuellen Haushaltssituation sind die Mittel für diese Hilfe jedoch knapp.

Handlungsempfehlungen

Die Dienstwagenbesteuerung hat laut Verkehrsminister Wissing unter anderem die Funktion, „den Absatz von Fahrzeugen im Heimatmarkt zu erleichtern“. Die technologische Zukunft der Automobilindustrie liegt in der E-Mobilität, daher müssen die Milliarden, die jetzt in eine auslaufende Technologie fließen, künftig dem E-Auto-Absatz zugutekommen.

Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten.

  • Die vom Kabinett in der Wachstumsinitiative angekündigten Sonderabschreibungen für gewerblich zugelassene E-Autos hätten eine deutlich größere Lenkungswirkung, wenn gleichzeitig die Abschreibungsmöglichkeiten für Verbrenner reduziert würden. Diese Maßnahme hat Belgien an die Spitze der Flottenelektrifizierung in Europa gebracht.

  • Die Pauschalbesteuerung von fossil betriebenen Dienstwagen, die sogenannte 1-Prozent-Regelung, muss auf 2 Prozent erhöht werden, um eine höhere Spreizung zwischen dem Preis der zukunftsträchtigen und der auslaufenden Technologie zu schaffen. Wie zum Beispiel im Vereinigten Königreich sollte nach CO₂-Ausstoß des Autos der Prozentsatz gestaffelt steigen. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Anpassung des Steuersatzes für Plug-in-Hybride muss ebenfalls schnellstmöglich umgesetzt werden.

  • Zusätzlich zu steuerlichen Maßnahmen gibt es weitere Wege, die Automobilindustrie gezielt bei der Transformation zu unterstützen. So kann etwa Social Leasing die Nachfrage in Bevölkerungsgruppen fördern, die bislang keinen Zugang zu E-Mobilität hatten, und dadurch den Herstellern mehr Planungssicherheit bieten.

  • Die Bundesregierung sollte die EU-Kommission dazu auffordern und dabei unterstützen, verbindliche Elektrifizierungsziele für große Flotten einzuführen. Eine öffentliche Konsultation ist dazu bereits abgeschlossen, nun sollte die EU einen Gesetzesvorschlag machen.

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